Tragik der Kultur bei Georg Simmel und Entlastung durch Institutionen bei Arnold Gehlen–ein Vergleich

 

I.                   Einleitung: zwei Autoren, zwei Begriffe von Kultur

 

Im Kontext der philosophischen Anthropologie macht die Kultur den Menschen zum Menschen und setzt ihn damit von der übrigen Natur deutlich ab. Der Mensch ist unspezialisiert und damit undeterminiert in positivem Sinn, denn er kann seine Verhaltensweisen selbst bestimmen und seine Lebenswelt schöpferisch gestalten. Das macht ihn von der Natur unabhängig und frei. Das Unspezialisierte ist aber auch eine Unvollständigkeit, in dem das uns Mitgegebene eine Lücke in sich enthält. Ausgefüllt wird dieser Mangel durch das frei Schöpferische des Menschen, der sein Verhalten überlegt und auch erfindet. So holt er nach worin die Tiere spezialisiert sind. Dabei ist die schöpferische Seite des Menschen keinesfalls auf wenige Tätigkeiten eingeschränkt und er ist dadurch weltoffen.

Ganz anders ist dies in der philosophisch-soziologischen Ausrichtung von Georg Simmel. Die Kultur ist zwar auch bei nötig, führt aber zu einer Diskrepanz zwischen dem, was der einzelne schafft und dem was er geschaffen hat. Das von ihm Geschaffene drängt sich im auf und tendiert hin zu einem Hindernis in der freien Entfaltung des Menschen. Dennoch bietet sich ein Vergleich mit der Kulturauffassung Arnold Gehlens an. Bei Gehlen ist die Kultur unverzichtbar, muss allerdings durch Institutionen gestützt sein, sonst ist sie verrottet und dem Menschen nicht dienlich. Bei aller Differenz der beiden Konzeptionen ergeben sich aber auch Parallelen, was sich im Verlauf dieser Arbeit zeigen wird.

 

 

II.               Begriff der Kultur bei Georg Simmel

 

Alle Naturabläufe sind kausal determiniert. Simmel grenzt dagegen die Kultur ab, die mit der kantischen Formel „Kausalität durch Freiheit“ zu beschreiben wäre. Der Ursprung liegt in der Teleologie des menschlichen Handelns. „Simmel ergänzt diese Ausgangsbestimmung durch die Insistenz auf dem normativen Status des Kulturbegriffs und artikuliert damit die weitgehend geteilte Intuition, mit dem Begriff eine weitgehend positive Bewertung zu verbinden, die es als widersinnig erscheinen lässt, eine destruktive Tat, selbst wenn sie die Bedingung der teleologischen Intention erfüllt, als ein Element der Kultur zu begreifen.“ [1] Gleichzeitig stellt er den anthropozentrischen Gesichtspunkt der Kultvierung heraus: erweitern die Menschen in der Kultur all ihr Handeln auf alles Mögliche, so haben sie es dabei immer auch schon mit sich selbst zu tun. So ist es für Simmel selbstverständlich, „daß nur der Mensch der eigentliche Gegenstand der Kultur ist:“[2] Die Kultur ist der „Weg der Seele zu sich selbst“[3] und „Kultur ist der Weg von der geschlossenen Einheit durch die entfaltete Vielheit zur entfalteten Einheit“[4], wobei die Vollendung der Seele auch den „Umweg“ über die Objekte nehmen kann.[5] Hier zeigt sich ein weiteres Moment, durch das sichtbar wird, warum destruktive Aktionen trotz ihrer Handlungsstruktur nicht zu Kultur gehören: von Kultur kann nur dann die Rede sein, wo sich menschliche Zwecksetzungen im Werk objektivieren. Simmel zeigt den normativen Charakter des Kulturbegriffs an einem eingehenden Beispiel: Ein Schuljunge stellt einem anderen ein Bein, wodurch dieser fällt und die anderen Schuljungen lachen. Die Tat für sich ist nicht verwerflich und sie ist auch nicht willentlich auf dauerhafte Objektivierung bezogen. Dennoch fallen für Simmel nicht nur die von Menschen geschaffenen materiellen Dinge, „die in einer eigentümlichen Weise fortexistieren“ unter das Kriterium der Ergologie, sondern auch die Objektivationen des Geistes, wie Kunst, Technik, Recht, Religion, Wissenschaft und die Sitte. Mit dem Inhalt dieser Objektivationen ist der Mensch nicht nur angezogen oder abgestoßen, sondern jetzt auch verschmolzen. So ringt das Subjekt jeweils mit der festen Form der Institutionen und seiner strömenden Lebendigkeit und der inneren Selbstverantwortung.[6]

Durch den Kontrast des Wertcharakters der Resultate einer Tätigkeit und ihres Ursprung in der menschlichen „Seele“ begründet sich der Doppelaspekt von „objektiver Kultur“ als dem was in der Reihe der Hervorbringungen erreicht wird und „subjektiver Kultur“ als ein Zustand in den sich die Menschen durch den Kulturprozess bringen.[7] Diese Unterscheidung ist für Simmel eine Diskrepanz oder ein Dualismus[8], was ihm erlaubt, das Konfliktpotential der Kultur herauszustellen, wodurch das moderne Selbstverständnis seine charakteristische Verunsicherung erhält. Objektive und subjektive Kultur in ihrer Entgegensetzung macht es möglich, auch die Eigendynamik der kulturellen Entwicklung adäquat zu erfassen, was ihre Verselbständigung zum Sachzwang erklärt.

In Der Begriff und die Tragödie der Kultur fasst Simmel die in der Arbeitsteilung und Spezialisierung liegende Tendenz zur Verselbständigung der Werke gegen die Menschen explizit als Tragödie der Kultur. Eigentlich ist aber alles, was der Mensch macht und herstellt, eine Art von Selbstentfaltung. Die Arbeitsteilung innerhalb der Kultur führe zwangsläufig zu einer Potenzierung und Verselbständigung der Objekte gegen ihre Urheber, sodass sich eine kontinuierliche Überforderung durch die eigenen, selbst geschaffenen Produkte ergibt. Bei zunehmendem Fortschritt haben die Menschen keine Möglichkeit mehr, sich die „objektive“ Kultur zum Vorteil ihrer „subjektiven“ Kultur“ zu machen. Es geht den Subjekten in der Moderne wie Goethes Zauberlehrling, denn die Geister, die sie riefen können sie nicht beherrschen und bekommen sie auch nicht mehr los. In eine geschlosse Form gebracht und über den Kopf gewachsen ist das, was die Angst bereitet, der Kulturpessimismus.

Für das Problem der Tragödie der Kultur gibt es keine kulturelle Lösung, gerade weil es sich ja aus dem Kontext der Kultur ergibt und mit jeder neuen Errungenschaft gleich wieder in Erscheinung tritt. Darin liegt der Grund von Simmels Annahme einer Tragödie in der Kultur:

 

„Denn als ein tragisches Verhängnis. – im Unterschied gegen ein trauriges oder von außen her zerstörendes – bezeichnen wir doch wohl dies: daß die gegen ein Wesen gerichteten vernichtenden Kräfte aus den tiefsten Schichten eben dieses Wesens selbst entspringen; daß sich mit seiner Zerstörung ein Schicksal vollzieht, das in ihm selbst angelegt und sozusagen die logische Entwicklung eben der Struktur ist, mit der das Wesen seine eigene Positivität aufgebaut hat. Es ist der Begriff aller Kultur, daß der Geist ein selbständig Objektives schaffe, durch das hin die Entwicklung des Subjektes, von sich selbst zu sich selbst ihren Weg nehme; aber eben damit ist jenes integrierende, kulturbedingende Element zu einer Eigenentwicklung prädeterminiert.“[9]

 

Die Kultur als solche in jeder Entwicklungsmöglichkeit reicht hin bis zur Verunmöglichung des Lebens in seiner höchsten Steigerungsform.[10] Mit diesem melancholischen Resultat Simmels über den Lauf der Kultivierung möchte ich zum Kulturbegriff Arnold Gehlens übergehen.

 

 

III. Begriff der Kultur bei Arnold Gehlen

 

Bereits in seinem Hauptwerk Der Mensch. Seine Natur und seine Stellung in der Welt kommt Gehlen sehr schnell zum Begriff der Kultur. Sein Hauptanliegen ist es, die Sonderstellung des Menschen in der sonstigen Natur herauszustreichen. Mit „Sonderstellung“ ist jedoch nicht die besondere Stellung des Menschen gemeint, wie sie z. B. im Christentum verstanden wurde, sondern seine Stellung gegenüber der sonstigen Natur. Die erste Ausnahme des Menschen besteht allein schon darin, so Gehlen, dass er „nicht festgestellt“ ist wie das Tier. Er ist sich selbst noch Aufgabe, was bedeutet, er findet die Notwendigkeit vor, sein eigenes menschliches Dasein zu deuten und dies sei nicht nur ein theoretisches Bedürfnis des nachdenkenden Menschen, denn „[o]b sich der Mensch als Geschöpf Gottes versteht oder als arrivierten Affen, wird einen großen Unterschied in seinem Verhalten ausmachen.“[11] Für Gehlen ist das Deuten bereits eine Handlung.

Die zweite Ausnahme sieht Gehlen im Umstand, dass der Mensch morphologisch im Gegensatz zu allen höheren Säugetieren durch seine Mängel zu bestimmen ist, die durch seine Unangepasstheit und Unspezialisiertheit charakterisiert sind:

 

„Es fehlt das Haarkleid und damit der natürliche Witterungsschutz; es fehlen natürliche Angriffsorgane, aber auch eine zur Flucht geeignete Körperbildung; der Mensch wird von den meisten Tieren an Schärfe der Sinne übertroffen, er hat einen geradezu lebensgefährlichen Mangel an echten Instinkten. Und er unterliegt während der ganzen Säuglings- und Kinderzeit unterliegt er im Vergleich zu anderen Tieren einer unvergleichlich langfristigen Schutzbedürftigkeit. Mit anderen Worten: Innerhalb natürlicher urwüchsiger Bedingungen würde er als bodenlebend inmitten der gewandtesten Fluchttiere und der gefährlichen Raubtiere schon längst ausgerottet sein.“ [12]

 

Der Mensch ist durch eine einzigartige biologische „Mittellosigkeit“ gekennzeichnet.[13] Dadurch muss er mit anderen Qualitäten aufwarten um sein Überleben zu sichern. Er kann diesen Mangel durch seine Handlungen in Form von Arbeit ausgleichen, indem er seine Hände und seine Intelligenz einsetzt, um die Welt für ihn lebensdienlich umzuarbeiten.

Der Mensch ist zwar organisch ein „Mängelwesen“ und somit in der Natur nicht überlebensfähig, aber er erschafft sich gegenüber der Natur eine „zweite Natur“ und dies ist die Kultur, „eine künstliche und passend gemachte Ersatzwelt.“ [14] Für Gehlen ist Kultur ein anthropo-biologischer Begriff, da der Mensch von Natur aus ein Kulturwesen ist. Diese Kulturwelt kann er selbsttätig bearbeiten, kann er sich deuten, in ihr kann er handeln und kann auch nur allein in dieser leben und er kann allein aufgrund seiner zweiten Natur überall auf der Welt leben. Man muss die Resultate seiner Hand- und Verstandesarbeit zu den physischen Existenzbedingungen des Menschen hinzunehmen, und diese Aussage gilt für kein Tier. Ein Vogelnest ist niemals vorausschauend, sondern immer nur rein instinktiv geplant.[15] Der Mensch hat gar keine andere Möglichkeit als sich als Kulturwesen zu verstehen. Mit von ihm entwickelten Werkzeugen und Techniken beginnt er, die Natur zu seinem Vorteil umzugestalten, aber auch manchmal um sie auszunutzen. Der Mensch fühlt sich in dieser Technikwelt aber außerordentlich wohl.

Der Mensch ist auf der einen Seite ein Mängelwesen, anderseits sagt Gehlen aber auch: „Den Menschen als Prometheus zu bezeichnen hat daher einen exakten und guten Sinn.“[16]

Der Mensch ist durch die „Weltoffenheit“ bestimmt. Sie stellt eine Überflutung von Wahrnehmungseindrücken dar, die der Mensch bewältigen muss. Allerdings birgt sie auch unerwartete und nicht voraussehbare Erfahrungen, die im Überlebenskampf durchaus auch nützlich sein können. Er muss aus dem Chaos der Umstände unter allen Bedingungen auch solche finden, „aus denen er sich eine Hilfe machen kann, ein Werkzeug, eine Erfahrung, die ausnutzbar ist, soll er überhaupt existieren können. Diese unmittelbare Belastung wird also produktiv zur Existenzchance gemacht werden müssen.“[17] Die Belastung wandelt sich so zur Entlastung.

Gehlen stellt die Handlung, die er vom amerikanischen Pragmatismus übernommen hat, und durch die der Mensch die Kulturwelt schafft, in das Zentrum seiner Überlegungen. Sie steht als Scharnier „zwischen dem Theorem des Mängelwesens und der Institutionenlehre.“ [18] Der von der Natur im Stich gelassene Mensch muss, um er selbst sein zu können, sich objektivieren, versachlichen, veräußerlichen, institutionalisieren. Dem somit gefährdeten Wesen Mensch verordnet Gehlen das Heilmittel in Form der Ordnung und Disziplin bis hin zum bedingungslosen Gehorsamsgebot, das an die Adresse des Individuums gerichtet ist. „Alles gesellschaftliche Handeln wird nur durch Institutionen hindurch effektiv, auf Dauer gestellt, normierbar, quasi-automatisch und voraussehbar.“[19] Unter „Institution“ versteht Gehlen Familie, Vereine, stattliche Einrichtungen usw. und diese verhilft dem Menschen um sich von seinem Dasein als Mängelwesen zu entfernen. Ohne diese Ordnungsmaßnahmen erfährt der Mensch der modernen Industriekultur Ohnmacht und die Neigung zur Depression. Mit dieser Feststellung wende ich mich dem Vergleich der beiden Autoren zu.

 

 

IV. Kulturpessimismus und Institutionen

 

Alles was den Irrweg des Menschen in Sachen Kultur verhindern kann sind die Institutionen, die Gehlen für den handelnden Menschen vorgesehen hat.

 

„Die Formen, in denen die Menschen miteinander leben oder arbeiten, in denen sich die Herrschaft ausgestaltet oder der Kontakt mit dem Übersinnlichen – sie alle gerinnen zu Gestalten eignen Gewichts, den Institutionen, die schließlich den Individuen gegenüber etwas wie eine Selbstmacht gewinnen, so daß man das Verhalten des einzelnen in der Regel ziemlich sicher voraussagen kann, wenn man seine Stellung in dem System der Gesellschaft kennt, wenn man weiß, von welchen Institutionen er eingefaßt ist.“[20]

 

Diese "Eingefasstheit" kann innerhalb eines Berufes sein, den Forderungen der Familie, des Staates oder irgendwelcher Verbände entsprechen und bis hinein in Wertgefühle und Willensentschlüsse. All diese Beispiele zeigen auch die Entlastung, die dem Menschen innerhalb der Institutionen widerfährt. Er kann seine Energien sozusagen nach oben verlagern.[21] Der Mensch wird frei und kann seine Persönlichkeit entwickeln.

Werden die Institutionen durch z. B. Krieg oder Revolutionen zerstört so geraten die Menschen in eine tiefe Desorientierung.[22] Die Kultur ist eine entlastende nur, wenn sie durch die Institutionen gestützt wird. Das ist die Quintessenz des gehlenschen Konzepts der Kultur.

Gibt es bei Simmel auch so etwas wie Institutionen? Diese Frage drängt sich an dieser Stelle wie selbstverständlich auf. Tatsächlich findet sich in seiner frühen Abhandlung Über sociale Differenzierung eine Formulierung, die sofort an Gehlens Institutionenlehre erinnern lässt: er gibt ein praktisches Beispiel, in dem Krieger sich zum Kampf zusammentun und sich so in hohem Maße differenzieren. Das gemeinsame Agieren führt zu einer „Kraftersparnis“[23]. Diese Art von „Institution“ (die Simmel selbstverständlich nicht so nennt) spart Kräfte, die ein einzelner Kämpfer nie aufbringen könnte; erst die Zusammenfassung zu einer militärischen Einheit bringt den Erfolg. Es entsteht praktisch eine Entlastung des einzelnen Kämpfers. Allgemein drückt Simmel dies wie folgt aus:

 

„Wenn der Einzelne nun befähigt ist, die Gesamtheit in sich aufzunehmen und zum Schnittpunkt der in ihr angesponnenen Fäden zu werden, so ist dies entweder im Nebeneinander oder im Nacheinander ihrer einzelnen Momente möglich. Und hier kommt der Gesichtspunkt der Kraftersparnis wieder zur Geltung; wo entgegengesetzte Tendenzen gleichzeitig ihren Anspruch auf unser Bewusstsein geltend machen, wird unzählige Male Reibung, Hemmung, unnützes Aufbrauchen von Kraft stattfinden.“ [24]

 

Hier klingt tatsächlich etwas Institutionsähnliches an, ohne genauer spezifiziert zu werden. Dazu ist es nötig, dass der einzelne auch dem entsprechend geartet ist, d. h. dazu bereit zu sein, sich in dieses Kraftersparnis-Moment einzufügen. Die entgegengesetzten Tendenzen, die Simmel hier erwähnt wären dann wohl wieder Auswüchse einer „objektiven“ Kultur, die wiederum zur Entfremdung des Individuums führen würden. Diese Entfremdung zeigt die negativen Auswüchse der Kultur auf, die Seele und Leben gefährden können. Das klingt natürlich ernüchternd, denn es scheint bei Simmel keinen Ausweg aus diesem Dilemma zu geben, im Gegenteil kann es in diese Situation münden:

 

„So kann etwa die industrielle Herstellung mancher Fabrikate die von Nebenprodukten nahelegen, für die eigentlich kein Bedürfnis vorliegt; allein der Zwang, jene einmal geschaffenen Einrichtungen voll auszunutzen, drängt darauf; die technische Reihe fordert von sich aus, sich durch Glieder zu komplettieren, deren die seelische, eigentlich definitive Reihe nicht bedarf – und so entstehen Angebote von Waren, die erst ihrerseits künstliche und, von der Kultur der Subjekte her gesehen, sinnlose Bedürfnisse wachrufen.“[25]

 

Auch diese Bemerkung ist weit von einer Versöhnung von Individuum und Kultur entfernt. Der Konflikt der Kultur wird bei Simmel bis zum Schluss, d. h. bis in seine Lebensanschauung von 1918 beibehalten. Dort zeigt er wie das Leben sich durch verschiedene Gebiete hindurch mäandert, ohne den besagten Konflikt einer Lösung zuzuführen. So ist es denn auch nicht verwunderlich, wenn Ernst Cassirer Simmels Position als „Kulturpessimismus [...] in seiner schärfsten und radikalsten Fassung“ [26] bezeichnet.

 

Der Vergleich der beiden Kulturbegriffe hat Verschiedenes gezeigt. Die Kultur ist für Gehlen das Menschsein an sich, allerdings nur, wenn sie mit der Institution übereinstimmt, denn dann ist der Mensch entlastet und genießt die Freiheit sich anderen Dingen zu widmen. Somit ist der Kulturbegriff Gehlens durchaus positiv konnotiert.

Ganz anders geartet ist die Kultur bei Simmel, wenn er auch so etwas wie eine Institution andeutet, hilft sie nicht wirklich den Konflikt der Kultur zu versöhnen. Simmels Kulturpessimismus wirkte jedoch weiter wie z. B. bei Sigmund Freud und auch Günther Anders [27] weiter, doch das ist eine ganz andere Geschichte.

 

 

Literaturverzeichnis

 

Arlt, Gerhard: Philosophische Anthropologie. Stuttgart/Weimar 2001.

 

Cassirer, Ernst: Die Tragödie der Kultur. In: Konersmann, Ralf (Hg.): Kulturphilosophie.

Leipzig 1996. S. 107-139.

 

Gehlen, Arnold: Der Mensch. Seine Natur und seine Stellung in der Welt. 13. Aufl. Wiesbaden

1986.

 

Gehlen, Arnold: Ein Bild vom Menschen. In: ders.: Anthropologische Forschung. Zur

Selbstbegegnung des Menschen. 51.-55. Tsd. Reinbek 1970.

 

Rauscher, Josef: Georg Simmels ‚Tragödie der Kultur’ als eine spezifische Akzentuierung des

Dilemmas sprachlicher und ethischer Bedeutung. 2004. http://www.josef-

auscher.de/simmelkultur.htm. Zugriff am 03. 01. 2018.

 

Recki, Birgit: Nicht so tragisch... Simmels Begriff, Theorie und Problem der Kultur in der

Kontroverse. Zeitschrift für Kulturphilosophie Bd. 9 (2015) 1-2, S. 41-55.

 

Simmel, Georg: Vom Wesen der Kultur. In: Brücke und Tür. Essays des Philosophen zur

Geschichte, Religion, Kunst und Gesellschaft. Im Verein m. Margarethe Susman hg. v.

Michael Landmann. Stuttgart 1957: S. 86-94.

 

Simmel, Georg: Über sociale Differenzierung. GA Bd. 2. Frankfurt am Main 1989.

 

Simmel, Georg: Simmel, Georg: Der Begriff und die Tragödie der Kultur. In: ders.:

Hauptprobleme der Philosophie/ Philosophische Kultur. Hg. v. Rüdiger Kramme u.

Othein Rammstedt. GA Bd. 14. Frankfurt am Main 1996. S. 385-416.

 



[1] Recki, Birgit: Nicht so tragisch... Simmels Begriff, Theorie und Problem der Kultur in der Kontroverse.

Zeitschrift für Kulturphilosophie Bd. 9 (2015) 1-2, S. 41-55. S. 43.

[2] Simmel, Georg: Vom Wesen der Kultur (im Folgenden m. „Kultur“ abgek.) In: Brücke und Tür. Essays des Philosophen zur Geschichte, Religion, Kunst und Gesellschaft. Im Verein m. Margarethe Susman hg. v. Michael Landmann. Stuttgart 1957: S. 88.

[3] Simmel, Georg: Der Begriff und die Tragödie der Kultur (im Folgenden m. „Tragödie“ abgek.) In: ders.: Hauptprobleme der Philosophie/ Philosophische Kultur. Hg. v. Rüdiger Kramme u. Othein Rammstedt. GA Bd. 14. Frankfurt am Main 1996. S. 385.

[4] Tragödie, S. 387.

[5] Kultur, S. 90. Simmel nennt dazu: die „Formen des Benehmens“, „die Feinheit des Geschmacks“, „Bildung des sittlichen Taktes“, also alles was von außen beurteilt wird und ihn zu einem für andere „erfreulichen Mitglied der Gesellschaft macht.“

[6] Vgl. Tragödie, S. 385.

[7] Vgl. Recki, Birgit: Nicht so tragisch... S. 43.

[8] Tragödie, S 391 u. 401f.

[9] Ebd. S. 411.

[10] Vgl. Rauscher, Josef: Georg Simmels ‚Tragödie der Kultur’ als eine spezifische Akzentuierung des Dilemmas sprachlicher und ethischer Bedeutung. 2004. http://www.josef-rauscher.de/simmelkultur.htm. Zugriff am 03. 01. 2018.

[11] Gehlen, Arnold: Der Mensch. Seine Natur und seine Stellung in der Welt (im Folgenden m. „Mensch“ abgek.). 13. Aufl. Wiesbaden 1986. S. 9.

[12] Mensch, S. 33.

[13] Mensch. S. 34.

[14] Gehlen, Arnold: Ein Bild vom Menschen. In: ders.: Anthropologische Forschung. Zur Selbstbegegnung des Menschen. S. 48.

[15] Vgl. ebd. S. 47f.

[16] Ebd. S. 48.

[17] Mensch. S. 39.

[18] Arlt, Gerhard: Philosophische Anthropologie. S. 134.

[19] Gehlen, Arnold: Urmensch und Spätkultur. 5. Aufl. Wiesbaden 1986. S. 42.

[20] Gehlen, Arnold: Anthropologische Forschung. Zur Selbstbegegnung und Selbstentdeckung des Menschen. 51. – 55. Tsd. Reinbek 1970. S. 71.

[21] Er braucht für eine Mahlzeit nicht erst auf die Jagd zu gehen oder irgendwelche Pflanzen zu sammeln, sondern kann alles fertig und bequem im Supermarkt bekommen. Dadurch gewinnt er Zeit für viele Dinge, die er zu tun gedenkt.

[22] Vgl. Gehlen, Arnold: Anthropologische Forschung. S. 72.

[23] Vgl. Simmel, Georg: Über sociale Differenzierung. GA 2. S. 276f.

[24] Ebd. S. 281.

[25] Simmel, Georg: Tragödie, 408f.

[26] Cassirer, Ernst: Die Tragödie der Kultur. In: Konersmann, Ralf (Hg.): Kulturphilosophie. Leipzig 1996. S. 109.

[27] Mindestens in Freuds Das Unbehagen in der Kultur und Anders‘ Antiquiertheit des Menschen.